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Finger zeigt auf leuchtende Waage

Warum das Apotheken-Reformgesetz ein Problem ist

Im September 2023 hat unser Gesundheitsminister Karl Lauterbach kurz vor dem Deutschen Apothekertag über die Frankfurter Allgemeine Zeitung angekündigt, dass er eine große Apothekenreform plant. Diese soll unsere aktuellen Probleme, wie z.B. das seit 20 Jahren nicht erhöhte Honorar, den Personalnotstand in zahlreichen Apotheken sowie die steigende Zahl der Apothekenschließungen, lösen.

Die angekündigten Pläne wurden dann im Juni 2024 erneut über die F.A.Z. in die Öffentlichkeit gebracht und konkretisiert. Einige Wochen nach der Zeitungsveröffentlichung legte er einen ersten Entwurf des „Apotheken-Reformgesetzes“ (ApoRG) vor. Bisher ist es ihm allerdings noch nicht gelungen das Gesetz durchs Kabinett zu bringen.

Warum ist das Gesetz ein Problem?

Während unsere Standesvertretung ABDA vor allem ein Problem damit hat, dass es Apotheken ohne Apotheker geben soll, habe ich ein ganz anderes Thema, das eher wirtschaftlicher Natur ist: Lauterbach begründet sein Gesetz und die Änderungen der Arzneimittelpreisverordnung damit, dass er kleine Apotheken stärken und große Apotheken mit teuren Medikamenten schwächen möchten. Damit soll es attraktiver sein eine Apotheke in einem eher ländlich gepägten Umfeld mit eher „normalpreisigen“ Arzneimitteln zu führen. Über die Preisbildung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln habe ich bereits vor einiger Zeit geschrieben.

Nochmal kurz zusammengefasst: die Apotheken erhalten zum Einen einen Festbetrag von 8,35 Euro sowie einen prozentualen Aufschlag von 3% auf den Großhandels-Einkaufspreis. Diese Kalkulation wurde 2004 eingeführt und 2013 einmalig von 8,10 Euro um 25 Cent auf die jetzigen 8,35 Euro erhöht. In der Zwischenzeit ist die Inflation ihren Lauf gegangen.

Quelle: ABDA-Broschüre: „Die Apotheke Zahlen Daten Fakten 2024“

Was möchte Karl Lauterbach ändern? Simpel gesagt: er erhöht das fixe Honorar und kürzt dafür die prozentuale Komponente von 3 auf am Ende 2 Prozent. Klingt erst mal gut. Ich habe dazu ein paar Rechenexempel aufgestellt und damit sieht man, dass die versprochene Honorarerhöhung in Wirklichkeit eine Absenkung des Honorars und damit in meinen Augen eine Mogelpackung ist.

Angenommen der Hersteller würde sein Medikament für 1 Cent an den Großhandel verkaufen, würde die Apotheke aktuell 8,37 Euro erhalten. Bei gesetzlich Verischerten aufgrund des Kassenabschlags tatsächlich nur 6,69 Euro. Wenn Lauterbachs Reform greift (und auch der Kassenabschlag wieder auf 1,77 Euro brutto gesenkt wird) erhält die Apotheke 7,53 Euro, also 0,84 Euro oder 12,5% mehr. Scheint ja nicht schlecht.

Allerdings gibt es keine Medikamente, die für 1 Cent vom Hersteller abgegeben werden. Das günstigste verschreibungspflichtige Medikament, das ich gefunden habe, liegt bei 0,76 Euro2. Mal abgesehen davon, dass dieses Medikament aktuell nicht lieferbar ist (wie so viele Medikamente), beträgt der Ertrag für die Apotheke dieses Jahr 8,40 Euro. Nach der Reform liegt der Ertrag 2026 bei 9,03 Euro (erneut beide Zahlen ohne den „Kassenabschlag“). Auch das sieht gut aus. Aber: laut meiner aktuellen Abrechnung aus dem Juli 2024 liegt der durchschnittliche Packungsbetrag (Nettorezeptumsatz geteilt durch Packungszahl) bei 89,09 Euro netto. Rückwärts gerechnet liegt dann der Hersteller-Abgabepreis im Schnitt bei 74,90 Euro. Da sind wir von hochpreisigen Arzneimitteln, die per Definition erst ab 1238,50 Euro Verkaufspreis anfangen, weit entfernt. Und wenn man jetzt diesen durchschnittlichen Hersteller-Abgabepreis nimmt und die Berechnung alt gegen neu durchführt, kommt folgendes heraus:

20242025 (geplant)2026 (geplant)
Hersteller-Abgabepreis74,7074,7074,70
Fixum Großhandel0,730,730,73
Aufschlag Großhandel2,362,362,36
Einkaufspreis Apotheke77,9977,9977,99
Fixum Apotheke8,358,669,00
Aufschlag Apotheke2,341,951,56
Ertrag Apotheke10,6910,6110,56
Notdienst0,210,280,28
Pharm. Dienstleist.0,200,130,13
Umsatzsteuer16,9316,9116,90
Brutto-Verkaufspreis106,02105,92105,86
Ertrag Apotheke inkl. Kassenabschlag9,019,129,07
Berechnung des Apothekenertrags vor und nach der Apotheken-Reform von Karl Lauterbach

Wie man an der Tabelle gut sehen kann, wird das Honorar der Apotheke beim aktuellen durchschnittlichen Packungspreis nicht angehoben, sondern de facto gesenkt. Und auch wenn es sich nur um 13 Cent handelt und der ab 2025 gesenkte Kassenabschlag das Leiden mindert, ist die Reform eben keine Hilfe für die kleinen Apotheken. Selbst in meiner Apotheke haben wir einen Packungsdurchschnitt, der über dem „Kipppunkt“ von ca. 62 Euro „Hersteller-Abgabepreis“ bzw. ca. 65 Euro Apotheken-Einkaufspreis liegt. Also werden auch wir mit Ertragseinbußen rechnen müssen, wenn die Reform so kommt. Das ist ein weiterer Beschleuniger des Apothekensterbens, ähnlich wie schon das BGH-Urteil zum Apothekenskonto.

Eines der eigentlichen Probleme

Die Gehälter in den Apotheken sind im Vergleich mit anderen Berufen niedrig. Selbst mit dem aktuellen Tarifvertrag vom 01.08.2024 verdient eine PTA im ersten Berufsjahr gerade mal 2.569 Euro verdient. Zum Vergleich: ein:e Erzieher:in kommt auf 2.932 Euro1. Natürlich kann man sich fragen, welcher Beruf mehr Verantwortung mit sich bringt. Ich persönlich denke, dass beide Berufe wichtig für unsere Gesellschaft und damit vergleichbar sind. Trotzdem bekommt der/die PTA knapp 400 Euro weniger als der/die Erzieher:in. Natürlich kann man fordern, dass die Inhaber:innen der Apotheken doch einfach mehr bezahlen sollen. Aber wovon? Ein Kollege von mir betont seit über 10 Jahren, dass der erste Euro, den wir Inhaber:innen mehr erhalten sicher ins Personal gehen muss. Dem stimme ich uneingeschränkt zu.

Und was ist mit dem Rest?

Der Rest der Reform sind reine Nebelkerzen, die im besten Fall irgendwann das Fremdbesitzverbot aufheben und den Zugang von Kapitalgesellschaften zum Apothekenmarkt ermöglichen. Wozu das führen kann sieht man an den aus dem Boden sprießenden MVZs, die von kapitalgesteuerten Kliniken aus dem Boden gestampft werden. Ob das die Gesundheitsversorgung verbessert, lasse ich jeden von euch selbst entscheiden.


  1. Quelle: www.erzieherin-ausbildung.de
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