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Frau mit Händen vor dem Gesicht in einem Strudel von Paragraphen-Zeichen

Das Apotheken-Albtraum-Verwaltungsgesetz kommt

Wie ich schon oft geschrieben habe gibt es im Apothekenbereich wahnsinnig viele Regeln. Besonders bei der Abgabe von Arzneimitteln auf Rezept müssen wir hier einiges einhalten. Da wären z.B.

  • die Packungsgrößenverordnung, die festlegt wie viele Tabletten in den sogenannten „Normpackungen“ N1, N2 und N3 enthalten sind
  • die Arzneimittelverschreibungsverordnung, die festlegt was alles auf einem Rezept stehen muss, damit es überhaupt erst gültig wird: was ist verordnet? Wie oft soll es eingenommen werden? Wie heißt der Arzt? Welche Telefonnummer hat er? Und -ganz wichtig- die Unterschrift des Arztes.
  • die Lieferverträge mit den Krankenkassen, die unter anderem auch festlegen wie wir mit den Rabattverträgen umzugehen haben

Seit Beginn der Corona-Pandemie haben wir aufgrund der Lieferengpässe bei zahlreichen Arzneimitteln gelockerte Regelungen damit wir unnötige Wege zwischen Apotheke und Arztpraxis ersparen. Wir dürfen in der Apotheke sogar einige Änderungen am Rezept durchführen ohne mit der Praxis zu sprechen. Dadurch sind und waren wir in der Lage unsere Patienten meistens ohne einen erneuten Gang zum Arzt zu versorgen. Ausgenutzt wurden die gelockerten Regeln nach meinem Kenntnisstand wenig bis gar nicht.

Am 7. April enden nun die letzten Corona-Regelungen und -Verordnungen. Dummerweise enden damit auch die gelockerten Abgaberegeln in der Apotheke. Und auch wenn Corona so gut wie vorbei ist bestehen die Lieferengpässe bei Arzneimitteln weiter. Gesundheitsminister Lauterbach hat zwar angekündigt ein neues Gesetz mit dem wunderbaren Namen „Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz“ (ALBVVG) auf den Weg zu bringen, allerdings werden die gelockerten Regeln nur teilweise wieder eingeführt. Insbesondere darf ich nur dann eine Regel „lockerer“ sehen, wenn das verschreibungspflichtige(!) Arzneimittel auf einer offiziellen Liste steht. Damit haben wir mindestens zwei Probleme: zum einen sind viele Arzneimittel im Kinderbereich nicht verschreibungspflichtig, zum anderen ist fraglich wie die „Engpass-Liste“ des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte befüllt wird. Denn schon heute gibt es regional starke Unterschiede in der Lieferbarkeit von Arzneimitteln. Und wenn irgendwo in Norddeutschland eine Packung bei einem Großhandel lieferbar ist, bei uns im Süden aber komplette Ebbe herrscht, gilt die Packung als „lieferbar“. Landet ein solches Medikament dann auf der „Engpass-Liste“? Ich glaube eher nicht! Denn die Hersteller haben kein Interesse, dass ihre Produkte offiziell als nicht lieferbar gelistet werden. In den Verträgen mit den Krankenkassen verpflichtet sie sich nämlich die Arzneimittel für die der Vertrag gilt auch zu liefern. Kann ein Hersteller dies nicht, drohen teilweise hohe Konventionalstrafen.

Ach ja, ein „großes“ Bonbon hat Herr Prof. Lauterbach auch noch für uns parat: für die Mehrarbeit bei nicht lieferbaren Artikel sollen wir 50 Cent pro Packung erhalten. Die gibt es aber nur, wenn wir Rücksprache mit dem Arzt gehalten haben. Dass dies aufgrund überlasteter Praxen selten möglich ist, werden die 50 Cent wohl selten von uns aufs Rezept gedruckt werden. Davon abgesehen ist es mit einem kurzen Anruf bei Arzt oder Ärztin ja nicht getan. Vorher fragen wir meist beim Hersteller an wie lange der Lieferengpass dauert und ob es vielleicht noch andere Packungsgrößen gibt, die lieferbar sind. Auch das kostet Zeit und ist deutlich mehr wert als der angekündigte halbe Euro.

Vielleicht meint der eine oder andere jetzt, dass das „Jammern auf hohem Niveau“ sei. Aber: die Belastungen sind auch bei uns in den Apotheken in den letzten Jahren gestiegen. Nicht nur finanziell, auch bürokratisch und psychisch. Die Arbeitsbelastung ist ähnlich hoch wie bei den Mitarbeiter:innen in den Arztpraxen. Und: auch wir sind von der Inflation betroffen. Von höheren Strom- und Gaspreisen. Von Erhöhungen bei Löhnen, Wartungskosten für Software, Wartung und auch Belieferung durch den Großhandel. Aber: wir können diese gestiegenen Kosten nicht weitergeben, weil unsere Preise im rezeptpflichtigen Bereich staatlich festgelegt und in jeder Apotheke in Deutschland identisch sind. Das ist richtig, denn damit gibt es anders als z.B. in den USA keine Mondpreise bei knappen Arzneimitteln und jeder Patient wird gleich behandelt. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass es die letzte Honorarerhöhung 2013 gab. Damals stiegt das Honorar um sage und schreibe 25 Cent pro Packung. Und während die Einnahmen der gesetlichen Krankenkassen sich im Zeitraum 2004 bis 2022 fast verdoppelt haben (+198,7%) ist das Apothekenhonorar im selben Zeitraum nur um 121,4% gestiegen (Quelle: ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände).

Das Gesetz kann noch geändert werden. Wenn es wie geplant in Kraft tritt ist es aber sicherlich keine große Hilfe gegen Lieferengpässe. Das ist auch den Ärzt:innen bewusst, deren Verbände sich ebenfalls für mehr Lockerungen bei den Abgabebestimmungen einsetzen. Denn die Anrufe der Apotheken stören nicht nur den Apotheken- sondern auch den Praxisbetrieb. Ein eher seltener Schulterschluss zwischen unseren beiden Heilberufen, den ich für dringend notwendig halte. Ob es was bringt bleibt abzuwarten. Ich bin gespannt, ob sich unser Gesundheitsminister nicht doch noch eines Besseren besinnt.

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