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Gedanken um Gesundheit, Pharmazie und Politik
Gedanken um Gesundheit, Pharmazie und Politik
In den letzten Monaten hat sich die Knappheit von Medikamenten dramatisch verschärft. Ist Anfang 2022 ein kompletter Wirkstoff gegen Brustkrebs ausgefallen, sind inzwischen nicht nur Fiebersäfte und -zäpfchen für Kinder knapp. Die Lieferschwierigkeiten gehen bei uns quer durchs Sortiment. Und jeden Tag kommen neue „defekte“1 Artikel dazu. Inzwischen sind in unserer verhältnismäßig kleinen Apotheke über 300 Medikamente, die wir üblicherweise bei uns lagern, nicht mehr zu bekommen. Leider wissen wir oft nicht wie lange so ein Ausfall dauert. Denn die Hersteller halten sich oft mit konkreten Lieferdaten zurück. Oder sie verschieben das Datum immer wieder.
Der Vorsitzende des Apothekengroßhandels NOWEDA, Dr. Michael Kuck, hat sich dazu kürzlich geäußert und einige Hintergründe erklärt. Und auch ein Kollege hat sich bereits 2019 zum Thema geäußert:
Der einfachste Ansatz dürfte eine generelle Preiserhöhung im Festbetragsbereich sein. Das passiert gerade zum Teil, reicht aber sicher nicht aus. Denn wenn die Preise steigen, steigen auch die Kosten für die Krankenkassen. Also müsste man hier kompensieren. Das ginge zum Beispiel über einen Verzicht auf die Mehrwertsteuer bei (verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln, wie es in anderen Ländern üblich ist. Alternativ wäre auch der Switch auf den ermäßigten Mehrwertsteuersatz möglich.
Um die Produktion von Ausgangsstoffen und Arzneimitteln nach Deutschland zurückzuholen braucht es aber mehr: weniger Lohnnebenkosten, mehr Anreize für Fachkräfte, Unterstützung bei der Umsetzung von Umweltauflagen sind die Punkte, die mir spontan dazu einfallen.
Das System der Rabattverträge sollte ebenfalls überdacht werden. Es ist nicht sinnvoll, dass nur ein Hersteller einen exklusiven Zuschlag bekommt. Diversifizierung heißt das Zauberwort. Abschaffung von Exklusivverträgen, hin zu mindestens drei Industriepartnern könnte eine Lösung sein.
Ob und welche Maßnahmen dann wirklich durchgeführt werden, weiß ich nicht. Und ich bin sicherlich nicht der schlaueste Kopf in diesem Bereich. Aber es wäre ein Anfang. Und dieser Anfang tut dringend Not.
1: als „Defekt“ wird in Apotheken ein Artikel bezeichnet, der für eine unbestimmte Zeit nicht lieferbar ist.