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Gedanken um Gesundheit, Pharmazie und Politik
Gedanken um Gesundheit, Pharmazie und Politik
Seit gestern Abend ist das Thema “Apothekenprotest” auch in den Medien angekommen. In der Tagessschau (ab Minute 8:04) gab es gestern Abend dazu einen längeren Beitrag in dem auch unser Bundesgesundheitsminister zu Wort kam. Dieser stimmte zwar in Bezug auf die ausufernde Bürokratie zu, meinte aber dann, dass es “nicht nur um Geld” ginge. Auf Instagram postete er: “Die Einkommen der Apotheker sind stetig gestiegen, gerade in der Pandemie. Wirklich schlecht verdient wird in der Pflege.”
Auch Kai Behrens, Sprecher des AOK-Bundesverbands, kam im Beitrag zu Wort und war der Meinung, dass die Apotheken ja bei jeder Preiserhöhung (“rasant steigende Apothekenpreise” profitieren würden, weshalb die Inflation uns nichts anhaben könnte.
Schauen wir zuerst mal das mit den “rasant steigenden Preisen” an: die folgende Grafik zeigt die Preissteigerung bei Arzneimitteln im Vergleich zum Verbraucherpreisindex.
Hier kann man gut sehen, dass der Preisanstieg deutlich unter der “normalen” Preissteigerung liegt. Bevor mir hier jemand Manipulation vorwirft, sollte man einen Blick auf die Quelle der Grafik werfen: das “Wissenschaftliche Institut der AOK” stellt diese Daten zusammen. Scheinbar kennt der Sprecher des AOK-Bundesverbandes diese Zahlen aber wohl nicht. Anders lässt sich das Statement mit den “rasant steigenden Preisen” nicht erklären. Aber warum steigen unsere Preise nicht so stark? Der Grund ist simpel: unser Honorar bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln besteht aus zwei Komponenten. Einem Fixaufschlag von derzeit 8,35 Euro und einer prozentualen Komponente auf unseren Einkaufspreis. Ich hatte das in einem Beitrag schon mal erklärt. Für die Lesefaulen aber nochmal in Kurzform:
Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) | 50,00 EUR |
+ Großhandelshöchstzuschlag (3,15% auf ApU plus 0,70 EUR) | 2,28 EUR |
= Apothekeneinkaufspreis (AEP) | 52,28 EUR |
+ Apothekenzuschlag (3% auf AEP plus 8,35 EUR) | 9,92 EUR |
+ Notdienstzuschlag (0,21 EUR) | 0,21 EUR |
+ Förderzuschlag für pharmazeutische Dienstleistungen (0,20 EUR) | 0,20 EUR |
= Netto-Apothekenverkaufspreis (Netto-AVP) | 62,61 EUR |
+ Mehrwertsteuer (19% auf Netto-AVP) | 11,90 EUR |
= Apothekenverkaufspreis (AVP) | 74,51 EUR |
– Gesetzliche Zuzahlung des Patienten (10% vom AVP) | -7,45 EUR |
– Gesetzlicher Apothekenabschlag (2,00 EUR) | -2,00 EUR |
– Gesetzlicher Herstellerabschlag (12% vom ApU) | -6,00 EUR |
= effektive Ausgaben der GKV | 59,06 EUR |
Von den ursprünglich 9,92 EUR Honorar bleiben der Apotheke aufgrund des gesetzlichen Apothekenabschlags also nur noch 7,92 EUR.
Übrigens: sowohl bei der Zuzahlung als auch beim Herstellerabschlag sind die Apotheken als kostenloses Inkasso-Unternehmen für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) tätig und tragen das Ausfallrisiko. Beim Herstellerabschlag kam es schon mehrfach vor, dass Firmen insolvent waren und die Apotheken auf dem vorab gezahlten Abschlag sitzen geblieben sind.
Dieses Statement unseres Gesundheitsministers möchte ich gerne entkräften. Denn scheinbar kann weder der Minister noch sein Ministerium den Umsatz vom Betriebsergebnis unterscheiden. Ja, die Umsätze in den Apotheken steigen Jahr für Jahr. Insbesondere wenn man sich den Umsatz der “durchschnittlichen Apotheke” anschaut. Diese Kategorie von Apotheke, zu der nur 7,6% aller Apotheken gehören, wächst durch das Sterben der kleinen Apotheken. 60% aller Apotheken erwirtschaften weniger als diese 3,25 Mio EUR. Während vor 10 Jahren der Umsatz der Durchschnittsapotheke noch bei 2,04 Millionen Euro lag, liegt er 2022 bei 3,25 Mio EUR. Dies zeigt auch eine Präsentation unseres Gesundheitsminsters aus dem Jahr 2015:
Die Umsatzsteigerung, das ist soweit richtig, erfolgt quasi automatisch, weil das Budget der Ärtze jedes Jahr erhöht wird. Außerdem -wie schon erwähnt- erhöht sich der Umsatz automatisch durch die Apothekenschließungen. Weniger Apotheken bei gleichem Gesamtmarkt ergibt mehr Umsatz pro Apotheke.
Aber: der Umsatz ist eben nicht der Gewinn einer Apotheke. Beim Gewinn -wir sprechen hier vom “Betriebsergebnis”- müssen vom Umsatz erstmal alle Kosten abgezogen werden. Im Jahr 2022 lag das Betriebsergebnis einer Durchschnittsapotheke bei 163.000 EUR. Klingt viel. Und wenn dass das Einkommen (davon sprach Herr Lauterbach ja) wäre, dürfte niemand jammern. Ist es aber nicht. Vom Betriebsergebnis muss die Apothekenleitung zunächst Kranken- und Sozialversicherung bezahlen. Ohne Arbeitgeberzuschuss, denn man ist ja selbst sein eigener Arbeitgeber. Außerdem muss das Betriebsergebnis natürlich auch versteuert werden. Was dann übrig bleibt kann man als Chef oder Chefin aber auch nicht einfach verjubeln. Denn: von dem übrig geblieben Betrag müssen die zukünftigen Investitionen, z.B. in neue Einrichtung, neue EDV, neue Laborgeräte etc.pp. bezahlt werden. Was dann übrig bleibt, könnte man ausgeben. Dann hätte man aber im Falle eines Falles keine Reserven, also ist der tatsächliche Verfügungsbetrag bzw. das Einkommen deutlich geringer als die oben angesprochenen 163.000 Euro.
Ihr seht: das Einkommen der Apothekenleitung entspricht eben nicht dem Betriebsergebnis. Und anders als bei Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, SE) ist das Einkommen des “Geschäftsführers” eben nicht im Betriebsergebnis enthalten. Hier irrt Herr Lauterbach schlichtweg.
Zum Schluss noch der alte Trick mit der Neiddebatte
In seinem Insta-Beitrag erwähnt Herr Lauterbach ja auch “die Pflege”, die so schlecht verdienen würde. Hier eine aktuelle Gegenüberstellung der Gehälter einer Pharmazeutisch Technischen Assistenz gegenüber einer Krankenschwester/eines Krankenpflegers:
Für mich sieht das nicht so aus, als ob “die Pflege” jetzt sooo schlecht dasteht. Vermutlich ist es ein erneuter Versuch von K.L. verschiedene Berufsgruppen gegeneinander aufzubringen. Ich bin aber sicher, dass der Schulterschluss, der inzwischen im Gesundheitswesen passiert, durch solche Provokationen nicht verloren geht.