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Frau im Anzug mit Schild auf dem ein Paragraphen-Zeichen abgebildet ist

Selbst schuld? Das sehe ich anders!

Letzte Woche hat der Staatssekretär im Bundesgesundheitministerium, Dr. Edgar Franke, eine kleine Anfrage der CSU bezüglich der Bürokratie im Apothekenwesen beantwortet. Seiner Meinung nach sind wir Apothekerinnen und Apotheker selbst schuld, weil wir -bzw. unsere Verbände- ja die Lieferverträge der Krankenkassen unterschrieben hätten und gewusst haben worauf wir uns einlassen.

Allerdings verkennt Herr Dr. Franke hier die Realität: die Verträge mit den Krankenkassen werden nämlich nicht wirklich verhandelt. In Wirklichkeit ist es so, dass die Kassen mit Forderungen antreten und verschiedene Drohkulissen aufbauen, wenn wir Apotheker den Vertrag nicht unterschreiben. Von „partnerschaftlich“ und „Verhandlung“ kann also keine Rede sein. Ich saß selbst ein paar Jahre im „GKV-Tax-Ausschuss“ unseres Verbandes. Und wenn uns die hauptamtlichen Mitarbeiter von den Sitzungen mit den Krankenkassen berichtet haben, war ich immer entsetzt welche Forderungen der Krankenkassen in den Raum gestellt wurden. So gab es einmal den Vorschlag der Krankenkasse, dass wir als Abrechnungspreis 10% unter unserem Einkaufspreis liegen sollten. Stimmt man nicht zu, ist man aus der Versorgung raus. Im Hilfsmittelbereich ist das eine seit Jahren durchgeführte Strategie um die Apotheken aus diesem Marktsegment zu drängen. Im Arzneimittelbereich sieht das da zwar noch besser aus, aber auch hier wird immer wieder mit Selektivverträgen gedroht bei denen dann meist ausländische Versandapotheken die neuen „Partner“ sind.

Diese Allmacht der Krankenkassen ist über Jahre politisch toleriert und sogar gefödert worden: an zahlreichen Stellen im Bundesministerium für Gesundheit sitzen Mitarbeiter der Krankenkassen und entwickeln die Gesetze mit unter denen wir Leistungserbringer dann leiden. Bezahlt von den gesetzlichen Krankenkassen. Dazu kommen noch die Urteile der Sozialgerichte, die das Recht überwiegend auf Krankenkassenseite sehen. So zum Beispiel bei den sogenannten „Null-Retaxationen“. So bezeichnen wir in der Apotheke Vorgänge, die im Nachhinein von der Krankenkasse nicht bezahlt werden, weil z.B. die Dosierung oder die Telefonnummer des Arztes auf einem Rezept fehlt. Das ist dann ein sogenannter „Formfehler“, der das komplette Rezept ungültig macht. Und das ist auch der Grund, warum wir manchmal in der Apotheke so pingelig sind. Das Dumme ist nämlich, dass -wenn der Fehler bei uns durchrutscht- die Krankenkasse bis zu 12 Monaten danach ihr Geld zurückfordern kann. Das ist dann eine sogenannte „Berichtigung“ oder „Retaxation“. Für uns bedeutet das: das Medikament wurde abgegeben, der Kunde korrekt versorgt und trotzdem erhalten wir keine Bezahlung. In jeder Kneipe würde man sagen „Zechprellerei“. In den Arzneimittelverträgen ist das leider zulässig, weil vertraglich so vereinbart. Wie gesagt gedeckt von einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das uns dann natürlich auch immer wieder von Kassenseite unter die Nase gerieben wird.

Hier also allein „unseren“ Verhandlern die Schuld in die Schuhe zu schieben erscheint mir als zu einfach. Die Materie ist -wie so oft im Gesundheitswesen- komplex.